Business-Ghosting: Wenn der Kunde nicht mal Schluss macht
- von Massimo Pavese
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- von Massimo Pavese
Was ursprünglich in der Online-Dating-Welt zuhause war, ist schon lange auch in der Geschäftswelt angekommen. Business-Ghosting ist eine harmlos klingende Umschreibung für Kunden, die vom Radar verschwinden: Anrufe und E-Mails bleiben unbeantwortet, Angebote verhallen ins Leere und auf versprochene Feedbacks wartet man vergeblich. Über die Hintergründe für dieses Verhalten, die Auswirkungen auf Agenturen aber auch Kunden und wie man mit diesem „Kontaktabbruch“ professionell umgehen kann, haben wir hier für euch einmal zusammengetragen.
ZWISCHEN TARNKAPPENMODUS UND UNVERBINDLICHKEIT
Business-Ghosting: Tot-Stellen als Strategie gegen Überforderung
DIE 4 SZENARIEN DES BUSINESS-GHOSTINGS
Am Anfang der Kunden-Agentur-Beziehung steht ein von der Projektleitung initiierter Profil-Check – in der Regel flattern die Projektanfragen über das hauseigene Webformular oder über den zentralen Mailkontakt herein. Die Inhalte variieren von einfachen Preisanfragen mit groben Infos bis zu komplexen Entwicklungsprojekten, die leider oft eine Vielzahl von Fragen aufwerfen. Sobald Nachfragen zu Details als „lästig“ rüberkommen, ist das ein klares Zeichen für Überforderung beim Kunden, weswegen oft erst gar nicht darauf geantwortet wird. Die Gründe dafür sind vielseitig: Von Beliebigkeit, Bequemlichkeit bis zu Projektunsicherheit ist die Spannweite enorm. Am Ende bleibt die Agentur auf dem erarbeiteten Fragenkatalog und dem investierten Recherchen sitzen.
Die Marketingleitung eines kommunalen Energieversorgers stellt über das Agenturformular eine konkrete und detaillierte Anfrage für die Entwicklung und Umsetzung einer Display-Kampagne. Bis auf die Kontaktnummer sind alle Daten ausgefüllt. Auf Anfrage zu Umfang und konkretem Briefing an die Kontakt-E-Mail bleibt eine Antwort aus. Eventuell ist die Kontaktperson erkrankt oder die E-Mail im Spam gelandet. Ein Follow-Up zwei Wochen später verläuft im Sand - Unternehmen und Projekt verschwinden von der Bildfläche.
Großformatige Projekte lassen sich in keine Mailanfrage quetschen. Hat das Projekt- und Kompetenz-Portfolio der Agentur den Kunden überzeugt, folgt nach Rückfragen zu Ressourcen und aktueller Auslastung, auch die Frage nach Projektinteresse und möglichem Briefing-Termin. Neben Vor- und Einarbeitung in die gestellten Themen und dem Studium der Anforderung, soll ein persönliches Kennenlernen noch offene Punkte klären. Wenn auf den Satz „Wir melden uns mit den nächsten Stepps und einem Termin.“ mehrere Tage vergehen und nur Stille folgt, bleibt der Agentur nichts als die Frage nach dem Verbleib des einmal so konkreten Projektes. Ob der Kunde Prioritäten geändert hat, sich Budgets oder Organisationsstrukturen verlagert haben oder mit einem qualifiziertem Feedback schlicht überfordert ist, bleibt ungeklärt. Aus Agentursicht wäre eine klärende Nachricht, warum das Projekt vorerst eingefroren wurde, fair und eine Entschuldigung für den unnötig entstandenen Aufwand zudem kollegial – zwei bis drei Tage Vorbereitung sind hinfällig und der Frust in Team sichtbar…
Eine Packaging-Agentur plant den Relaunch ihrer Website. Man lädt zum Gespräch ein, um technische Möglichkeiten, Design-Trends und Präsentationsaufbau zu diskutieren. Der Input wird dankend angenommen und man verblieb mit der Ankündigung eines konkreten Briefings. Eine Meldung auch nach Rückfrage gab es nicht mehr. Monate später besuchte man die Website der Agentur und blickte auf eine neue, mehr schlecht als recht umgesetzte Website. Ein Blick auf den Quellcode offenbarte gravierende Fehler in der technischen Umsetzung. Aus Nächstenliebe bekam die Agentur eine E-Mail mit Screenshots und Erklärung zu der problematischen Web-Präsenz. Und auch hier blieb dreist ein Feedback aus. Ein paar Tage später waren alle Fehler von der Website verschwunden.
Wendet sich ein Unternehmen mit dem Wunsch einer konkreten Angebotserstellung an die Agentur, wiegen sich viele schon in Sicherheit. Weit gefehlt… Je nach Komplexität der Projektaufgabe, sind solche Kostenaufstellungen nicht nur aufwendig in der Zusammenstellung und Berechnung, sondern offenbaren auch Details zu Werksmitteln, Lösungsansätzen und Projektstruktur der Agentur. Für alle Unternehmen, die nur ein Alibi-Angebot brauchen, um den Zuschlag letztendlich doch der Haus-und-Hof-Agentur zu geben oder mit dem Angebots-Aufbau ihr eigenes Projekt-Briefing aufpolieren wollen, ein gefundenes Fressen. Denn in der Regel hört man von solchen Möchtegern-Kunden entweder nichts mehr oder maximal den Textbaustein „Wir haben uns im Rahmen dieses Projektes für einen anderen Anbieter entscheiden.“ Stellt sich ein Ghosting nach der Aufforderung eines Angebotes ein, liegt die Vermutung nah, dass es lediglich um ein Strategie- und Projektkonzept inklusive sauberer Kostenaufstellung frei-Haus und nicht um eine Beauftragung ging. Für Agenturen bedeuten solche Szenarien nicht nur den Verlust einer Geschäftschance, sondern sind auch wirtschaftlich ärgerlich und in puncto Motivation eine Null-Nummer.
Ein Industrie-Unternehmen bat um ein Angebot und die Kosten für die Realisation einer speziellen E-Commerce-Plattform. Der Geschäftsführer meldete sich persönlich und erteilte mündlich den Zuschlag. Schriftliche Beauftragung und die Planung kommender Projektschritte sollten folgen. Danach tauchte das Unternehmen kommunikativ ab. Auf Rückfragen blieben Antworten aus. Viele Monate später meldete sich der Geschäftspartner und entschuldigte sich, denn sein Partner war kurz nach Projektplanung verstorben, das Unternehmen danach in turbulenten Umstrukturierungen eingebunden und das Projekt auf Eis gelegt worden…
Fehlende Feedbacks lassen die Agentur sprichwörtlich im Regen stehen, denn die Gründe dafür bleiben unaufgeklärt. Die Frage, wann und wie oft Rückfragen stattfinden sollten, kann man nicht allgemeingültig beantworten. Denn letztlich können auch rein menschliche Faktoren wie Krankheit, Überlastung oder betriebliche Konflikte die Ursache für ein fehlendes Echo durch den Ansprechpartner sein. Fest steht, man sollte immer höflich und verständnisvoll nachfassen und sein Engagement durch Follow-Ups manifestieren. Wer bereits im Vorfeld klare Kommunikations- und Rückmeldungsfristen vereinbart hat, schafft Verbindlichkeit auf beiden Seiten und ist im Vorteil. Alle anderen sollten mit Feingefühl noch zwei- bis dreimal nachfassen. Wenn im Anschluss das gewünschte Feedback immer noch ausbleibt, sollte man der Realität ins Auge sehen.
DER UNSICHTBARE KUNDE UND DIE FOLGEN VON BUSINESS-GHOSTINGS
Unprofessionelles Verhalten hat kurze Beine und fällt immer auf den Urheber zurück...
GHOSTER
REPUTATION
Mitarbeiter hinterlassen durch Business-Ghosting im Namen des Unternehmens den Eindruck von Unprofessionalität und Unzuverlässigkeit.
UNTERNEHMENSKULTUR
Das Tolerieren von Ghosting kann zu einem toxischen Arbeitsumfeld führen, in dem Verlässlichkeit und Transparenz auch unter den Mitarbeitern fehlt.
GESCHÄFTSCHANCEN
Unternehmen verlieren durch Business-Ghosting potenzielle Geschäftskontakte und nützliche Partnerschaften.
PROFESSIONALITÄT
Ghosting wird uneingeschränkt als unprofessionell und unseriös wahrgenommen.
NETZWERKE
In den sozialen Netzwerken gilt Business-Ghosting als Zeichen für Gleichgültigkeit und unsozialem Verhalten, das schnell die Runde macht.
AGENTUREN
RESOURCEN
Zeit und Mühe, die in die Vorbereitung und Kommunikation investiert wurden, gehen verloren.
PLANUNG
Unzuverlässige Kommunikation führt zu Planungsunsicherheit und erschwert die Kapazitätsplanung für andere Projekte.
FINANZEN
Unklare oder ausbleibende Aufträge resultieren in finanziellen Verlusten und verringern die Stabilität des Unternehmens.
MOTIVATION
Wiederholtes Ghosting kann die Motivation und Moral des Teams stark beeinträchtigen.
NETZWERKE
Partner, Freelancer und externe Mitwirkende müssen unnötig Kapazitäten freihalten, die am Ende nicht eingebucht werden.